EU-Kommission legt NAIADES III vorBinnenhäfen als tragende Säule für Verlagerung auf die Wasserstraße und für Transformation zum emissionsfreien GüterverkehrDie dritte Auflage des Aktionsprogramms der EU-Kommission zur Förderung der europäischen Binnenschifffahrt soll die Weichen für die praktische Umsetzung des European Green Deals auf den Binnenwasserstraßen stellen. Dafür schnürt NAIADES III ein Bündel von Maßnahmen aus Förderprogrammen für Infrastruktur und Schiffsraum, Aktualisierungen von Regelwerken, stärkerer EU-weiter Harmonisierung sowie strikteren legislativen Initiativen. Moderne, zukunftsfähige Infrastruktur als Grundvoraussetzung für GüterverkehrsverlagerungDie EU-Kommission sieht Potenzial für einen erheblich größeren Anteil der Wasserstraße am Modal Split. Gelingen kann dies aus Sicht der Kommission nur, wenn vier Voraussetzungen gegeben sind. Erstens soll bis 31. Dezember 2030 ein einheitlicher „Good Navigation Status“ im TEN-T-Netz erreicht werden. Im Fokus hierbei sollen Qualität und Vorhersagbarkeit von Navigationsbedingungen, etwa Fahrrinnentiefen und Brückenhöhen, stehen. Die Kommission will dazu Vorhaben stärker unterstützen, die im TEN-T-Netz Lücken schließen oder Flaschenhälse adressieren. Die TEN-T-Koordinatoren sollen einen größeren Schwerpunkt auf Binnenwasserstraßen, insbesondere grenzüberschreitende Projekte setzen. Über die Connection Europe Facility (CEF) sollen Vorhaben für intelligente Infrastruktur, Betriebs- und Wartungssysteme unterstützt werden. Das europäische Forschungsrahmenprogramm Horizon Europe sollen die Anpassung der Binnenschiffsflotte an neue Umwelt-, Klima- und Sicherheitsanforderungen und neue Methoden für mehr Sicherheit, Klimaresilienz und Umweltfreundlichkeit der Infrastrukturen adressieren. Zweitens braucht es eine angemessene physische und digitale Anbindung an andere Verkehrsträger. Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur in Binnenhäfen, sowie deren multimodale Anschlüsse zu Schiene, Straße und Wasserstraße, sollen daher stärker gefördert werden. Ein Schwerpunkt soll auf Projekten in städtischen Gebieten liegen, um Gütertransport auf der „letzte Meile“ umweltfreundlicher zu machen. Als Lehre aus der COVID-19-Pandemie will die Kommission einen Notfallplan zur Aufrechterhaltung des Betriebs bei Störfällen erarbeiten. Hier soll die große Resilienz der Wasserstraße beim Gütertransport besondere Berücksichtigung finden. Die Kommission will ferner die anstehende Revision der Richtlinie für den Kombinierten Verkehr nutzen, um die Binnenwasserstraßen vollständig zu integrieren. Die Richtlinie soll zu einem effektiven Instrument zur Unterstützung multimodaler Verkehre auf Schiene, Binnenwasserstraße und im Seeverkehr weiterentwickelt werden. Drittens möchte die Kommission ein verkehrsträgerübergreifendes Level Playing Field erreichen. Dies soll insbesondere durch Internalisierung externer Kosten geschehen. Der Emissionshandel, die Energiebesteuerung und die Infrastrukturentgelte („Polluter Pays“ und „User Pays“) sollen einbezogen werden. Bei der Überarbeitung der Energiebesteuerungsrichtline soll auch ein EU-weit harmonisierter Mindeststeuersatz für in der Binnenschifffahrt verwendete Kraftstoffe abhängig von ihrer Umweltverträglichkeit eingeführt werden. Zudem soll ein EU-einheitliches Mess- und Berichtswesen für Emissionen der Transport- und Logistik-Branche den CO2-Fußabdruck von Warentransporten für Unternehmen und Verbraucher transparent machen. Die Kommission erhofft sich von diesen Maßnahmen einen deutlichen Verlagerungsimpuls hin zu nachhaltigen Transportoptionen wie der Wasserstraße. Und Viertens muss der brancheninterne Markt funktionieren. Zwar gibt es harmonisierte Anforderungen für Binnenschiffe. Jedoch gibt es sehr unterschiedliche Handhabung von Schiffsüberprüfungen und Zeugnisausstellung durch nationale Behörden. Diese sollen aber weiter vereinheitlicht werden, um sowohl die Wettbewerbsbedingungen als auch die Sicherheit zu verbessern. Unumkehrbare Transformation zum emissionsfreien VerkehrsträgerDie Kommission erkennt zwar an, dass die Wasserstraße deutlich umweltfreundlicher ist als andere Verkehrsträger. Sie sieht aber die Transformation zu einer klimaneutralen Branche bis 2050 als zentral für Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit des Systems Wasserstraße an. Über die neu gegründete Zero Emission Waterborne Partnership soll daher die Erforschung von emissionsfreien Schiffstechnologien, innovativen Antriebssystemen und nachhaltigen Kraftstoffen unterstützt werden. Enge Zusammenarbeit soll es auch mit der Battery Alliance, der European Clean Hydrogen Alliance und der Allianz für die Wertschöpfungskette für erneuerbare und kohlenstoffarme Kraftstoffe geben. Die Kommission wird prüfen, ob für die Umstellung auf emissionsfreie Schiffe weitere legislative Initiativen nötig sind. In einem ersten Schritt sollen mittels eines Energieeffizienzindizes die CO2-Emissionsdaten von Binnenschiffen erhoben werden. Darauf basierend sollen dann CO2-Reduktionsziele definiert und eine Technologie-Roadmap für die Transformation zur emissionsfreien Schifffahrt erarbeitet werden. Zudem soll im Rahmen der Überprüfung der Richtlinie zur Festlegung technischer Vorschriften für Binnenschiffe überlegt werden, wie das Testen und Zertifizieren von innovativen und emissionsarmen Schiffen erleichtert und beschleunigt werden kann. Die wichtige Rolle der Binnenhäfen für das Greening der Wasserstraße adressiert die Kommission mit einer Reihe von Unterstützungsmaßnahmen. Eine Studie zur Bedeutung der Aktivitäten von Häfen für die Umwelt soll Instrumente wie Umweltmanagementsysteme und hafenspezifische Aktionspläne erarbeiten und so Kern/Startpunkt für eine großangelegte Investitionsintensive in umweltfreundliches und nachhaltiges Hafenmanagement sein. Die Richtlinie über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe soll überarbeitet werden, um sicherzustellen, dass Binnenhäfen bis 2030 über Lade- und Tankinfrastrukturen für emissionsfreie Schiffe verfügen können. Über CEF, Horizon Europe und Horizon 2020 (deutsche Portal zum EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation Horizont 2020) sollen innovative Ansätze zum Greening von Binnenhäfen unterstützt werden. Die Entwicklung von emissionsfreien Infrastrukturen soll auch in der Überarbeitung der TEN-T-Richtlinien zu finden sein. Für die entsprechende Infrastruktur sollen die drei Europäischen Normungsorganisationen CEN, CENELEC und ETSI harmonisierte Standards erarbeiten. Auch der Themen Abfallannahme- und Abgabe sowie Entgasungsinfrastrukturen will sich die Kommission annehmen. Um den Digitalisierungsprozess sowie den Weg zu Automatisierung und Autonomisierung zu forcieren, sollen die River Information Services (RIS) weiter harmonisiert und an neue Anforderungen angepasst werden. Von den Mitgliedstaaten erwartet die Kommission stärkere Anstrengungen bei intelligenten Verkehrs- und Transportmanagementlösungen mit Schwerpunkt auf den TEN-T-Korridoren. Die Kommission will die Entwicklung einer ganzheitlichen Vision für die Digitalisierung und Automatisierung der Branche erleichtern und dafür notwendige Anpassungen an bestehenden Richtlinien identifizieren. Über Horizon Europe und CEF soll es Förderungen für Entwicklung, Pilotvorhaben und Markteinführung von ganzheitlichen intelligenten und automatisierten Schifffahrtskonzepten geben. Abgerundet wird der Aktionsplan durch Unterstützung für die Mitgliedstaaten beim Thema Fachkräftegewinnung (bspw. bessere Information zu Arbeitsmarktstrukturen, stärkere Harmonisierung und Durchsetzungsmöglichkeiten bei arbeitsrechtlichen Themen, Qualifizierung für neue Aufgabenbereiche wie den Umgang mit alternativen Kraftstoffen). So sollen mehr attraktive und zukunftssichere Arbeitsplätze für das System Wasserstraße geschaffen werden. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die EU-Kommission die Wasserstraße und besonders die Binnenhäfen bei ihrem Weg zur Emissionsfreiheit künftig wesentlich stärker unterstützen wird. Zwar enthält NAIADES III eine Reihe von Prüfaufträgen und Förderankündigungen. Dass das Aktionsprogramm wichtige Impulse für die Transformation der Wasserstraße zum emissionsfreien Verkehrsträger setzen wird, ist aber deutlich sichtbar. Für die Binnenhäfen enthält NAIADES III eine Reihe guter Nachrichten: Die Kommission hebt die integrale Bedeutung der Häfen für die Transformation der Wasserstraße zum emissionsfreien Verkehrsträger hervor. Folgerichtig stellt sie finanzielle Unterstützung für Häfen als trimodale Umschlagplätze, als Hubs für alternative Kraftstoffe und auch für umweltfreundliches und nachhaltiges Hafenmanagement in Aussicht. Die Pläne der Kommission zur Internalisierung externer Kosten müssen wohlüberlegt eingeführt werden. Das setzt eine Kostenehrlichkeit aller Verkehrsträger voraus, damit die Wasserstraße keine Wettbewerbsnachteile insbesondere gegenüber der Straße erfährt. Auch der Pfad zur Emissionsfreiheit muss die richtige Balance zwischen Zielsetzung und praktischer Umsetzbarkeit finden. So möchte die Kommission beispielsweise prüfen, ob und unter welchen Bedingungen sie Empfehlungen der kürzlich veröffentlichten Studie zur emissionsfreien Binnenschifffahrt der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt unterstützen kann. Während die ZKR die Klimabilanz von Kraftstoffen nach dem Lebenszyklusprinzip bewertet, hat sich die Kommission hingegen auf den Tailpipe-Ansatz (ausschließliche Berücksichtigung der Emissionen, die direkt am "Auspuff" messbar sind; keine Berücksichtigung der gesamten CO2-Bilanz, bspw. bei Kraftstofferzeugung und -transport oder Energiegewinnung sowie Batterieherstellung) festgelegt, der eine Reihe von Empfehlungen der ZKR für alternative Kraftstoffe ausschließt. (Bildquelle: TU Berlin/FG EBMS) 
Zurück zum Inhalt
|